Alkoholproblemen

Wege aus der Sucht

Thomas aus Berlin

Selbsthilfegruppe  – wozu brauche ich die eigentlich?
Vorweg: Ich bin Alkoholiker und habe nur Erfahrungen mit dem Suchtstoff Alkohol. Daher beziehe ich mich auch nur darauf. Gespräche in einer psycho-therapeutischen Klinik mit anderen Süchtigen haben mir gezeigt, dass die Ursachen meinen sehr ähnlich waren: Keine Ahnung, wie man mit (wachsenden) Problemen/Stress umgehen soll – also sucht man Erleichterung in/mit einem bestimmten Medium. Oder anders herum: man »belohnt« sich für die erfolgreiche Bewältigung dieser Probleme. Und irgendwann schleicht sich dann der Kontrollverlust ein.

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Bei (fast) jeder Krankenhausvorstellung taucht die Frage auf, die sich wohl die meisten von uns zu Beginn ihrer Trockenzeit gestellt haben:

»Was bringt mir eine Selbsthilfegruppe?«

Ich denke mal, das Wichtigste ist doch, erst einmal für sich selbst zu klären: Will ich überhaupt von meinem Suchtstoff wegkommen? Und wenn die Antwort "JA" lautet, sollte ich jede Hilfe annehmen, die ich kriegen kann! Irgendwo habe ich mal gelesen:
»Sich von der Sucht lösen kann nur der Süchtige alleine –
doch alleine schafft er es nicht!«

(oder so ähnlich). Für mich habe ich erkannt, dass das sehr wahre Worte sind!

Ich habe festgestellt, dass es schon sehr "beruhigend" ist, dass ich mit meinen Problemen, trocken zu werden bzw. zu bleiben, nicht alleine bin. In der Gruppe wissen die Menschen, von welchen Problemen ich rede. Denn über viele Sachen kann ich nicht mit anderen Leuten, die kein Suchtproblem haben, reden. Auch nicht mit meiner Frau oder meinen Verwandten. Denn die wissen und verstehen nicht, was ich meine, wenn ich z. B. von innerlicher Unruhe, Händeflattern, Trockenkotzen oder Saufdruck spreche. »Trink weniger! Hör doch einfach auf, zu trinken!« Wenn das so einfach wäre – dann gäbe es keine Alkoholiker!
Nicht nur ich hatte mit meiner Scham zu kämpfen, mal wieder versagt zu haben. Meinen Vorsatz, heute nicht zu trinken, doch wieder gebrochen zu haben. Wenn ich den Menschen zuhöre, die von ihrer »nassen« Zeit, von ihrem Verhalten, ihren damaligen Verhaltensmustern berichten, dann habe ich sehr oft das Gefühl, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen. Ja, so habe ich mich auch verhalten – den Alk an allen möglichen und unmöglichen Stellen versteckt, um »Reserven« zu schaffen; andere belogen, dass sich die Balken bogen ("Ich? Ich habe doch nichts getrunken!"); heimlich getrunken, damit es meine Umwelt nicht merkt (dachte ich zumindest); eine regelrechte Logistik aufgebaut, um mir meinen Stoff zu besorgen – aber auch, um die leeren Falschen zu entsorgen; und, und, und ?
Und vor allem habe ich mich immer wieder selbst betrogen, indem ich mir einredete, dass ja keiner mitkriegt, dass ich »ein bisschen zu viel« trinke – und vor allem, dass ich ja kein Alkoholiker bin. Schließlich sind Alkis ja die Leute, die völlig verdreckt und verwahrlost vor den Supermärkten, auf den Parkbänken oder unter den Brücken herumlungern und sich den billigen Fusel in den Kopf schütten. Im Nachhinein habe ich dann gesehen, dass meine Umwelt sehr viel mehr von meiner Sucht bzw. meinem Trinkverhalten mitbekommen hat, als ich mir eingeredet hatte und mir lieb war. Schließlich ist der Begriff »Alkoholiker« in unserer Gesellschaft sehr negativ belegt. Also habe ich den Gedanken, einer zu sein, weit – sehr weit – von mir weggeschoben, obwohl er im Hinterstübchen schon ab und an mal aufblitzte.

In den Selbsthilfegruppen trifft man Menschen, die dieselben bzw. sehr ähnliche Probleme haben/hatten.
Jeder Einzelne hat zwar seinen eigenen Weg hinter sich, aber wir treffen uns, damit andere von unseren Erfahrungen profitieren können. Wenn in den Gruppen bestimmte »Regeln« für die Zeit der Trockenlegung/ Trockenheit erzählt werden, so sollte man vorher wissen, dass diese kein MUSS, keine Dogmen sind und keine Allgemeingültigkeit haben. ABER: sie resultieren aus den Erfahrungen von vielen Menschen, denen sie geholfen haben. Jeder, der in der Gruppe von seinen Problemen erzählt und von seiner Art, damit umzugehen, zeigt individuelle Möglichkeiten auf. Und wenn ich mir das anhöre, kann ich mich entscheiden, welche Möglichkeit für mich die Richtige wäre. Auch, wenn mich ein bestimmtes Problem an dem Tag, an dem es zur Sprache kommt, vielleicht nicht unbedingt tangiert – sollte ich mal die eine entsprechende Situation kommen, habe ich aber schon einmal davon gehört und ich kann mich daran erinnern, wie andere Menschen damit umgegangen sind.
Die Hilfe der Selbsthilfegruppen besteht also meines Erachtens hauptsächlich darin, dass man sich – wie in einem Selbstbedienungsladen – der gesammelten Erfahrungen anderer bedienen kann (sie aus der Gruppe »mitnehmen«), um eigene Probleme zu bewältigen – ohne Alkohol. Aber auch in der aktiven Hilfe bei akuten Problemen.
Eines erscheint mir aber noch sehr wichtig: In der Gruppe werden nicht nur Probleme besprochen – ein anderes wichtiges Thema sind natürlich auch die Erfolge, die erreicht wurden!

Aber warum soll ich nun regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besuchen? Was bringt mir das?
Nun, aus meiner eigenen Erfahrung heraus (und den Gesprächen mit vielen Menschen, sowohl in der Gruppe als auch bei Vorstellungen im Krankenhaus) weiß ich, dass der regelmäßige Gruppenbesuch mir hilft, am Thema zu bleiben, mir in regelmäßigen Abständen meine Probleme bewusst zu machen, nicht leichtsinnig zu werden.
Bereits vor meiner jetzigen Trockenzeit hatte ich eine Selbsthilfegruppe besucht. Aber als ich diese aus organisatorischen Gründen nicht mehr besuchen konnte, habe ich mir auch keine neue Gruppe gesucht – schließlich war ich ja der »Größte«, immerhin schon ein Jahr »trocken« und ab jetzt schaffe ich es auch alleine! Pustekuchen! Nach ungefähr einem halben Jahr hing ich wieder an der Flasche. Und bis zum (hoffentlich) letzten Absprung hat es ganz schön lange gedauert und mich und meine Familie unheimlich viel Kraft gekostet.

Dann habe ich mir wieder eine Gruppe gesucht und auch gefunden, in der ich mich wohl fühle. Zumindest in der ersten Zeit war es hauptsächlich das schöne Gefühl sagen zu können: »Diese Woche habe ich nicht getrunken!« Später, mit der Zeit, hat sich dann allmählich der Gruppenbesuch zu einem Bedürfnis entwickelt, habe ich mich gefreut, die Leute wiederzusehen und mit ihnen zu reden. Okay, wir reden in der Gruppe nicht nur über Themen, die offensichtlich mit Alkohol zu tun haben. Aber auch Probleme bei der Arbeit oder in der Familie können dazu führen, dass die Flasche näher rückt. Also muss man auch darüber reden, wie mit solchen Problemen umgegangen werden kann.
Auch wenn Neue in die Gruppe kommen und von ihrer Geschichte erzählen oder ihre Fragen stellen, u. a. zu möglichen weiteren Hilfen (Langzeittherapie ja/nein, wenn ja: Wo? Welche? Was passiert da überhaupt?) – alles das hält die Erinnerungen an das eigene Erleben wach und hilft, stets wachsam und nicht leichtsinnig zu sein.
Aber auch denjenigen, die in die Gruppe kommen und eigentlich noch nicht so recht wissen, wo sie stehen, ob sie nur ein Problem im Umgang mit Alkohol haben oder vielleicht doch abhängig sind, kann die Gruppe bei der Findung helfen. Auch ich konnte und wollte früher nicht wahrhaben, dass ich Alkoholiker bin. Bis ich es, nach etlichen langen Gesprächen in der Gruppe und den Gruppenfreunden doch einsehen und mir selbst eingestehen musste. Das tat weh, aber heute bin ich froh darüber. Denn nur so konnte ich etwas dagegen unternehmen. Schließlich haben wir mit unsererKrankheit – im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten – Glück: Wir können unsere Krankheit zwar nicht selbst heilen, aber sie selbst stoppen!
Die Frage, ob man nun Alkoholiker ist, kann einem übrigens niemand aus der Gruppe beantworten – dass muss man schon selbst herausfinden. Und dafür braucht man lediglich (wie leicht das klingt) Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.

Selbsthilfegruppen sind kein Allheilmittel
Sie schützen nicht vor einem Rückfall! Denn sonst gäbe es ja keine Rückfälle mehr. Aber sie erleichtern den Kampf gegen die Sucht ungemein und helfen, einen Rückfall zu vermeiden. Sollte es doch einmal zu einem solchen Rückfall kommen – auch das geschieht leider hin und wieder –, kann man mit ihrer Hilfe wieder aufstehen und wieder weiter etwas gegen seine Sucht tun. Nichts tun hilft nicht!
Es muss aber die »richtige« Gruppe sein!
Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man sich nicht irgendeine, sondern eine passende Gruppe sucht, in der man sich wohl fühlt, wo auch »die Chemie« stimmt. Es gibt so viele unterschiedliche Formen von Selbsthilfegruppen: Monolog, Dialog, (von Therapeuten) angeleitete Gruppen, reine Betroffenengruppen … etwas Passendes sollte zu finden sein.
Ich persönlich habe nach meiner letzten Entgiftung und dem Entschluss, nun endlich »Nägel mit Köpfen« zu machen, 14 Tage lang jeden Tag eine andere Gruppe besucht und mich umgeschaut. Und dann habe ich mich entschieden. Für diese Entscheidung war es mir jedoch vollkommen unwichtig, wie sich der Verein nennt, ob und welcher Konfession er angehört oder, oder, oder … Wichtig und entscheidend war lediglich, dass ich mich wohl und verstanden und gut aufgenommen/aufgehoben fühlte!
Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, wenn ich mal einen Gruppentermin – aus welchen Gründen auch immer – versäume, dass mir etwas fehlt.

So soll es sein – und noch lange bleiben.
Thomas M.

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Erhard aus Oschersleben

»Stark wie ein Baum«
Es fing eigentlich ganz,harmlos an mit dem Alkohol.
In der Jugendzeit war es toll, mal ab und zu etwas zu trinken, Hemmungen abzubauen, mit anderen zu feiern und cool zu sein.
Alkohol war auch immer da, wenn es später im Beruf turbulent zuging, wenn ich mal abspannen oder ausruhen, Frust, Langeweile oder Ärger und Wut bekämpfen wollte. Aber auch wenn es mir gut ging; quasi als Belohnung für den Erfolg.

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Der Alkohol hatte immer für mich Zeit und hat sich auch bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten als Wegbegleiter angeboten.
Bis zu dem Zeitpunkt, als ich nach langer Zeit langsam erkannte, auf was für einen anscheinend guten Freund ich mich da eingelassen hatte.
Da begann ich mich zu wehren, zu kämpfen. Das hat manchmal ganz gut geklappt, aber eben nur manchmal und nur für eine bestimmte Zeit. Ich rutschte immer tiefer rein in den regelmäßigen Alkoholkonsum. Lange Jahre war ich der Meinung ich kriege das alleine in den Griff. Ich würde schon wieder kontrolliert trinken können, Denkste!
Schließlich bin ich zum Glück zur Suchtberatung gegangen, auch wenn es mich einige Überwindung gekostet hat, da hin zu gehen. Fast 5 Jahre ist es jetzt schon her, ich fühle mich rundum gut und habe es, wie ich glaube, auch ein Stück weit zu einer zufriedenen Abstinenz geschafft.

Sicher, ich fühle mich schon stark wie ein Baum, der kräftig genug ist, allem Unbill zu trotzen und der nicht mehr am Pfahl angebunden sein muss. Das ist aber nur so, weil ich Baumwurzeln habe, zwischenzeitlich tiefe Wurzeln. Und diese Wurzeln, beziehungsweise der feste und gesunde Boden, in dem sie ruhen, ist meine Überzeugung.
Die Baumpflege sind die vielen Gespräche, die Erfahrungen, die Überlegungen und manchmal auch Zurechtweisungen. Auch wenn die Einsicht mal nicht soviel bringt, muss ich immer eines im Auge behalten. Viele haben mir geholfen und so ist es nicht mehr als recht und billig auch mal einiges zurückzugeben von dem, was ich von anderen empfangen durfte!!
DANKE!!!!!

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Heinz

Hallo, mein Name ist Heinz und ich bin ein stolzer, zufriedener und momentan trockener Alkoholiker. Und das sage ich mit vollster Überzeugung!
Manchmal, wenn ich das erzähle, schauen mich meine Gesprächspartner kopfschüttelnd an. »Wie kann man denn ein stolzer Alkoholiker sein?« Alles, was ich hier schreibe, gilt natürlich nur für mich.
Ich wusste schon lange, dass mit meinem Trinkverhalten etwas nicht in Ordnung war. Bis ich das zugeben konnte, dauerte es lange, sehr, sehr lange. Ich wurde, heute sage ich, es war ein glücklicher Umstand, von meiner Familie und auch meinem Arbeitgeber in die Enge getrieben. Es hat mich nachdenklich gemacht.

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Jedoch war dies immer noch kein Grund mit dem Trinken aufzuhören. Ich denke, dass ich mich letztendlich selber nicht mehr leiden konnte. Dieses Lügen, Betrügen, Verheimlichen, Alkohol Beschaffen, Alkohol Verstecken, Leergutentsorgung, all dies wurde zu einer unerträglichen Last.

So kam es, dass ich mir aus freien Stücken ärztliche Hilfe suchte. Auch dies zog sich über ca. ein Dreivierteljahr hin, bevor ich bereit war, eine Therapie zu machen.
Also begab ich mich im April 2007 zu einer achtwöchigen Therapie nach Tönisstein. In der ersten Woche wusste ich nicht, ob ich Männlein oder Weiblein bin. Ich kam mir vor wie ein riesiger Versager.
In dieser Zeit hatte ich dann die ersten Berührungspunkte mit einer AA-Selbsthilfsgruppe. Zu Anfang habe ich nur »Bahnhof« verstanden. Mit der Zeit wurde mir vieles klarer. Ich habe mich selbst kennengelernt. Diese Tönissteiner Zeit hat mich, so denke ich heute, nachhaltig geprägt. Vielleicht war das meine Lebensrettung.
Etwas hat sich in mein Gehirn eingebrannt. Immer wieder hörte ich, dass es nicht reicht, das erste Glas stehen zu lassen, sondern ich muss mein Leben, meine Einstellungen ändern. Nur Wie? Das darfst du selber herausfinden wurde mir gesagt!

Als ich aus der »Käseglocke« entlassen wurde, habe ich tatsächlich einiges geändert. Ich habe einige Freunde, wie ich damals dachte, heute weiß ich das es Saufkumpane waren, aussortiert. Oder sie mich – kommt aufs Gleiche heraus.
In unserem Haus wurde eine alkoholfreie Zone eingerichtet.
Ich habe meine Einstellungen zu vielen Dingen geändert.
Ich habe eine AA-Selbshilfegruppe gefunden, der ich bis heute treu bin.
Die Gruppe ist mein »psychologischer Supermarkt« aus dem ich Mut für die kommende Woche schöpfte. Hier treffen sich Menschen, die sich verstehen und Kraft und Hoffnung teilen, um die Herausforderung Alkohol zu meistern.

Heut nach 6 Jahren Trockenheit geht es mir so gut, wie schon lange nicht mehr. Ich kann zu jeder Tageszeit Auto fahren, bin ehrlicher und toleranter geworden, bin körperlich fitter als vor 20 Jahren, bin selbstbewusster geworden, kann viel besser »nein« sagen, ich übernehme immer mehr die Verantwortung für mich und ich mag mich heute so wie ich bin.

Nun schließt sich der Kreis für mich. Zu Anfang habe ich mich als stolzer, zufriedener und trockener Alkoholiker vorgestellt. Dies alles hätte ich als Nichtalkoholiker nicht geschafft. Somit war es für gut so für mich.
Gute 24 Stunden
Heinz

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Rene

Ich habe mich dazu entschlossen meine Geschichte zu erzählen, weil ich gerade jungen Betroffenen helfen kann.
Mit 16 Jahren war ich abhängig und dementsprechend ging es mir und meinem Körper sehr schlecht.
Kurz vor meinem Entzug hatte ich eigentlich nicht geplant, dass ich aufhören möchte, es war aber trotzdem ein starker Wunsch in meinem Unterbewusstsein. Ich habe mich intensiv mit dem Thema Alkoholismus beschäftigt und konnte mir so recht schnell eingestehen, dass ich süchtig bin. Das war ein wichtiger Punkt, weil so auch der Wunsch noch stärker wurde.
Eines Abends, als ich betrunken nach Hause kam, mitten in der Woche, sagte meine Mutter zu mir: »Du bist Alkoholiker. So oft kann man nicht nach Alkohol stinken.«
Unter fließenden Tränen gab ich alles zu.

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Habe dann einen Entzug unter ärztlicher Aufsicht mit Vertrauenspersonen und Suchtexperten angefangen. Nach fünf Wochen habe ich wieder getrunken.
Aber nur an einem Abend, dann ging die Abstinenz wieder weiter. Ich meldete mich in einem Alkoholikerforum an und jemand schrieb zu mir: »Wenn du mal wieder trinkst, denk daran wie gut es dir ohne den Alkohol ergangen ist.«
Ein paar Tage später habe ich dann wieder getrunken und es ging mir erbärmlich.
Von da an ging ich weiter zu Suchtberatung und zu Vertrauenspersonen, mit denen ich immer reden konnte.
Erinnerungen an Alkoholgelage und deren Folgen haben mich monatelang gequält. Ich musste neu lernen, mich in der Dunkelheit aufzuhalten und mich unter Menschen zu begeben, ohne Angstattacken zu bekommen.
Ich habe mich immer wieder und regelmäßig mit der Krankheit auseinandergesetzt und die Wurzeln des trockenen Lebens wurden so immer stärker.
Nun bin ich seit 17 Monaten trockener Alkoholiker und habe in diesen 17 Monaten den Alkohol oder seine intrige Wirkung nicht eine einzige Sekunde vermisst. Es geht mir besser als je zuvor, weil ICH weiß, dass ICH nicht mehr vernünftig trinken kann und ich möchte es auch nicht.

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HansPeter

Welche Bedeutung die eigenen vier Wände für ein menschenwürdiges Dasein haben
Nach meiner vorzeitigen Berentung habe ich vom Sozialamt mit der Bewilligung der Grundsicherung zugleich die Aufforderung zu einer schriftlichen Anhörung zur Senkung der Mietkosten erhalten. Hintergrund war, dass die Kosten der Miete einem bestimmten Richtwert entsprechen müssen, den meine Wohnung um 119,- übersteigt. Das Amt übernimmt die Miete in voller Höhe maximal sechs Monate, danach gibt es als letzte Möglichkeit nur noch einen Umzug in eine andere Sozialwohnung. Die Aussicht auf einen zwangsweisen Umzug hat vor meinem biographischen und gesundheitlichen Hintergrund starke Ängste ausgelöst und führte zu einer beginnenden Retraumatisierung.
Ich habe mir in meiner Stellungnahme an das Sozialamt das Recht herausgenommen, nicht einseitig als Sozialhilfeempfänger wahrgenommen zu werden, sondern mit meiner Gesamtpersönlichkeit, meiner Arbeitsbiographie, wie auch als Alkoholiker, Kranker oder Heimkind verbunden mit allen Stigmatisierungen, die in der Gesellschaft wie in den Behörden vorhanden sind. Für mich ist der Prozess der medizinischen Rehabilitation auch ein Weg der Wiederherstellung und des Erhalts meiner Menschenwürde.

Die Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung hat zur Folge, dass die sozialen Dienste für das Individuum immer weniger Zeit haben und vieles nur noch nach Aktenlage entschieden wird. Empathische Gespräche im Rahmen von Anhörungsverfahren bleiben also auf der Strecke, bilden aber die Basis sowohl für nachhaltige Gesundheit als auch für einen achtsamen Blick auf sich selbst. Daher habe ich meiner Akte durch eine ausführliche Stellungnahme das beigefügt, was ich für eine qualifizierte die Würde wahrende Entscheidung von MitarbeiterInnen einer Behörde für notwendig erachte.

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Biographischer Hintergrund
Ich bin vom ersten Lebenstag an völlig familiengelöst als sozialer Waise aufgewachsen. Meine Mutter ließ mich die ersten vier Wochen in der Geburtsklinik liegen und kümmerte sich nie! Danach war ich dreieinhalb Jahre im Säuglingsheim und kam anschließend in ein Vorschulheim. Die sieben Jahre mit der Pflegemutter waren gekennzeichnet von seelischen und körperlichen Misshandlungen, Vernachlässigungen, Kinderarbeit, Erniedrigungen sowie Vertreibung. Die Pflegemutter brachte mich immer außerhalb ihrer Wohnräume in einer Abstellkammer neben dem Hausboden eines schlechten Miethauses in Stralsund unter. Jährlich vom April bis September lebte ich ab dem 5. Lebensjahr bei allen Witterungsbedingungen allein in einem Wohnwagen auf der Insel Usedom mit vielen Ängsten. Ein halbjährlicher Wechsel von Schulklassen und Lehrern in den ersten fünf Schuljahren ging damit einher. Es folgten Massenunterkunft im Kinderheim und während der dreijährigen Armeezeit (davon zwei Jahre als Unteroffizier in einem 11-Personen-Zimmer). Nach fünf Jahren Wohnheim während des Studiums war ich 27 Jahre alt, als ich das erste Mal eine eigene Wohnung für längere Zeit bezog. Eine Familie hatte ich nicht. Meine erste Wohnung kam aus einem Kontingent für kriminell Gefährdete. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Abitur absolviert, begann den dreijährigen Wehrdienst und war zum Studium zugelassen. Ich konnte die Wohnung (ein Zimmer, ohne Küche, unbeheizbar, mit Holzeimer als Toilette im Parterre und ohne Kanalisation, kein Zu- und Abwasser) wegen Brand- und Einsturzgefahr nicht lange bewohnen. Eine zwischen der Leitung des Kinderheimes und mir zuvor getroffene mündliche Vereinbarung über die Nutzung eines Zimmers während des Armeedienstes zum Unterstellen meiner Privatsachen wurde gebrochen. Ich kam zum Weihnachtsurlaub von der Armee zurück »nach Hause« und stellte fest, dass mein Zimmer offen und kein Schrank mehr da war. Viele private Gegenstände fehlten, die restlichen Sachen lagen auf dem Fußboden. Übrig blieben eine provisorische Schlafecke und ein tiefer Schock! Ich musste endgültig raus aus dem Kinderheim. Die Armeekaserne und das Loch, wie ich meine Kontingentwohnung für kriminell Gefährdete nannte, sollten nun mein Zuhause sein. Für mich bedeutete das: Trennung von Erziehern, ehemaligen Mitbewohnern und völliger Verlust von Privatsphäre sowie Zukunftsangst. Ich begegnete dieser schweren persönlichen Krise mit übermäßigem Alkoholgenuss.
Nach der Armee wollte ich nicht in die baufällige Wohnung zurück. Lange Zeit vor dem absehbaren Ende des Wehrdienstes wuchsen die Ängste vor einer erneuten Entwurzelung. Ich nistete mich mit meinem Hab und Gut für zwei Wochen bei einer Offiziersfamilie ein, weil ich den Verlust der mich umgebenen Sicherheit nicht verkraften konnte. Mir kam die Idee, bis zum Beginn des Studiums in meinem Kinderheim als Erzieher in der Nachtwache zu arbeiten. Ein Stück heile Welt kam zurück und ich musste nicht so viel in der Wohnung schlafen. Während des Studiums lebte ich im Studentenwohnheim in Potsdam. In dieser Zeit bekam ich nach vielen Kämpfen eine Neubauwohnung in Wismar. Diese wurde zur Doppelbelastung (Mietkosten für Wohnung und Internat bei Grundstipendium) und psychischen Überforderung (Verächtlichmachung durch die Nachbarn als Heimkind, Versuche der Vertreibung aus der Wohnung durch zivilrechtliche Klagen). So zog ich 1982 nach Berlin, meinem Arbeitsort, in den Friedrichshain um.
Dieser Umzug von Wismar nach Berlin war ein traumatischer Vorgang eine erneute Entwurzelung. Meinen Verlustschmerz bekämpfte ich mit Alkohol. Die Suchterkrankung, die ich zu dieser Zeit noch nicht als solche erkannte, nahm ihren Lauf. Meine Berliner Wohnung wurde aufgrund der Abwesenheit durch Studienzeit und später häufigen Dienstreisen sowie geringer finanzieller Mittel nie zu einer von mir angenommenen Wohnung. Dreimal lief der Balkon voll Wasser und das Wohnzimmer samt Möbeln wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Mieter über mir hielt über 70 Katzen. Gelbe Flecken an den Decken in Küche, Flur und Wohnzimmer waren die Folge, wie sich eines Tages herausstellte. Während der Sanierung der über mir liegenden Wohnung brachen betrunkene Bauarbeiter durch die Decke in mein von mir gerade benutztes Bad durch und richteten Verwüstungen an. Diese Behausung war bloßer Aufbewahrungsort und mit meiner Suchtentwicklung letztlich auch durch mich vernachlässigt, bis hin zu tatsächlicher Stromabschaltung und einer 2003 erfolgten Räumungsklage des Vermieters. Ich konnte diese durch erste Schritte aus der Sucht erfolgreich abwenden. Ich zog infolge der Sanierung des Hauses und wegen beginnender Bewegungseinschränkungen von der dritten in die zweite Etage und war überglücklich, mein neues Zuhause im nüchternen, klaren Zustand gemütlich einzurichten.

Meine erste Wohnung nach der Wiedergeburt am 1. Januar 2004 – meine Heimat
Ich lebe seit 1. Januar 2004 abstinent. Ich habe mir seitdem eine wohnungsnahe medizinische, therapeutische und trockene soziale Infrastruktur aufgebaut. Die Wohnung habe ich neu eingerichtet, alles vernichtet, was an Trinken erinnert, renoviert, funktional (Wohnen, Arbeiten, Schlafen) sehr gut aufgeteilt und mir in ihr ein trockenes Leben geschaffen. Man sieht ihr an, dass ich gerne darin wohne, lebe, innere Ruhe finde. Blumen gedeihen hier. Sie ist hell und freundlich, sauber und sehr einladend. Wieder konnte ich Freunde und Kollegen einladen, soziale Kontakte aufbauen, Ärzte zur Behandlung reinlassen. Die Frau aus dem Blumenladen kommt und nimmt im Frühjahr die Balkonbepflanzung vor. In dieser Wohnung reifte ich als trockener Mensch. Hier sind endlich die meisten meiner Lebenserinnerungen positiv besetzt. Suchtselbsthilfe und Suchthilfe befinden sich im engsten Wohnbereich. Ich nehme Hilfe nun endlich an. Eine Nachbarsfamilie achtet auf mich fürsorglich und ich lasse es zu. Eine ehrenamtlich arbeitende Dame sieht in meiner Wohnung nach dem Rechten und hilft mir bei meinen Hausarbeiten, erledigt Einkäufe bei Erkrankungen mit Bettlägerigkeit. Ich hatte in der Vergangenheit kaum einen Menschen in meine anderen Woh­nungen gelassen. Ich habe bis 2004 kaum Ärzte an meinen Körper herangelassen und nun ein enges Netz von Vertrauensärzten in meinem Kiez aufgebaut. Sie alle sind über meine Alkoholkrankheit informiert, was kein einfacher Prozess war. Mit meiner Lebenspartnerin, die in Wohnnähe lebt, habe ich ein viel offeneres Verhältnis als früher, kann über meine Gefühle sprechen und ich möchte sie nicht verlieren durch den tatsächlich wahrscheinlicher werdenden, möglichen erneuten Ausbruch meiner Alkoholkrankheit. Ich lernte in dieser Wohnung zu entspannen, mich aufgehoben und auch sicher zu fühlen. Diese Bindung erneut fundamental zu lösen, würde große Risiken für meine seelische Stabilisierung mit sich bringen. Meine Heimat bin inzwischen ICH und ich möchte sie durch meine Wohnung und das Netz, welches ich um sie herum gespannt habe, nicht verlieren. Ich möchte mich so, wie ich heute bin, nicht wieder verlieren. Ich fühle mich zu diesem Ort zugehörig. Die Anpassung an eine neue Umgebung bedeutet schon für den gesunden Menschen immer eine psychische Belastung.

Gesundheit
Im Jahr 2009 musste ich gesundheitlich bedingt aus meiner Arbeit aussteigen. Seit Längerem befinde ich mich in ständiger nervenärztlicher Behandlung und psychologischer Therapie. Durch die neue Situation, das Herauslösen aus dem Berufsleben, eine Erwerbsminderungsrente unterhalb der Armutsgrenze und neue Existenzängste, kann ich mich weiteren Belastungen wie dem ungeheuren Anpassungsdruck durch einen möglichen Umzug nicht zusätzlich aussetzen. Die Anhörungseinladung, die mir zusammen mit dem Grundsicherungsbescheid zugesandt wurde, hat in mir das Gefühl eines realen bevorstehenden Zwangsumzuges und in dessen Folge große Ängste ausgelöst. Ich wurde erinnert an eine Vertreibung aus dem Haus der Pflegemutter und an die Verschleppung in ein Kinderheim. In aktuellen Träumen kommen früher erlebte Situationen des Verlustes von Heimat immer wieder hoch.
Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich seit der zugesandten schriftlichen Anhörung auf allen Gebieten, besonders auf psychosomatischem Gebiet.

Fazit
Die Anhörung des Sozialamtes dauerte mehr als drei Monate. Sie beinhaltete meine schriftliche Stellungnahme, das Ausfüllen eines Fragebogens, die schriftliche Anfrage durch mich an meinen Vermieter zur Mietkostensenkung, ein Gutachten eines medizinischen Experten, die Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes nach einem Gespräch mit mir sowie die Stellungnahme des Amtsärztlichen Dienstes. Die Prüfung ergab, dass die Miethöhe unter Berücksichtigung der Besonderheit des Einzelfalls bis auf weiteres anerkannt wird.
Ich stand vor einer großen Herausforderung. Im gesamten Verfahren konnte ich deutlich machen, welchen Stellenwert die Wohnung in meinem Leben insgesamt und insbesondere für meinen neuen Weg der abstinenten Lebensweise, für meine Genesung und Gesundheit hat. Ich konnte das erste Glas stehen lassen. Und trotz der Krisen konnte ich die Kraft aufbringen, mich auseinanderzusetzen, entgegenzustellen, weiterzugehen und erfolgreich eine Lösung finden. Meine Lebensgefährtin stützte mich und fing mich auf. Ich erbat Hilfe bei FreundInnen, TherapeutInnen und ÄrztInnen und bekam sie umfangreich. Meine Überzeugung von der Gleichheit der Menschen, meine menschenrechtliche Haltung und mein menschenzentrierter Ansatz im Umgang mit Behörden sowie auch in meiner beruflichen Praxis halfen mir ebenso, diese krisenhafte, angespannte persönliche Situation auch trocken durchzustehen. So konnte ich nach einem sehr nervenaufreibenden Jahr 2012 die Feiertage insbesondere meinen neunten Trockengeburtstag am 1. Januar 2013 entspannter und gestärkt begehen.

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Ralf aus Gifhorn

Ich bin seit drei Jahren clean und bin heutzutage in der Lage. mein Leben ohne Alkohol zu meistern – ich habe auch keine Gruppe mehr.
Die Situation vor drei Jahren war so, dass ich Psychiatrieerfahrung, Canabiserfahrung sowie jahrelange Alkoholexzesse hinter mir hatte und mal wieder eine Auszeit von Berlin nehmen wollte. Ich fragte spontan im Schwarzwald an, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Auszeit von Berlin zu nehmen, denn ich war, wie so oft schon, ausgebrannt. Als ich im Schwarzwald angekommen war, habe ich beim Bauern zur Untermiete gewohnt, für Kost und Logie habe ich im Gasthof als »Mädchen für alles« gearbeitet. Was mir nicht gefallen hatte, war, dass es zum Feierabend immer ein Bier zum Abschied gab, denn ich hatte schon in Berlin überlegt, weniger zu trinken. Was aber durch den Bauern und durch den Gastwirt nicht funktionierte.
Als ich angefangen hatte, die Freiheit von Berlin zu genießen, war ich bei fast einen Kasten Bier pro Abend. Genau da hatte ich festgestellt, dass ich ein Problem habe.

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Nach den vier Monaten Aufenthalt im Schwarzwald war ich bereit, einen Entzug durchzuziehen. Zur Zeit bin ich weit weg von Berlin und bin auch froh, dass ich raus bin.
Aber wo will Mann oder Frau hin? Diesen Stoff gibt es leider überall. Ich habe schon überlegt, eine alkohol- und drogenfreie WG zu gründen – aber genau das wird nicht gerne gesehen in dieser Gesellschaft.
Deshalb schreibe ich zur Zeit an meinem Buch »Ein Nichts sagt die Wahrheit« um vielleicht dann etwas zu erreichen, dort geht es nicht nur um Alkohol und Drogen, sondern auch um die ganze Situation in dieser Gesellschaft, dass man hier nicht die Wahrheit sagen darf und auch nicht sollte.
Es gibt so vieles, was mich und andere Betroffene nervt. Ich bin aber im Moment fast allein in der Lage, etwas zu unternehmen. Ich kenne aber auch diese Gesellschaft, die unberechenbar ist, denn ich habe vierzig harte Jahre in Berlin durch. Ich bin eigentlich fertig und habe keine Lust mehr auf den ganzen Dreck, denn wenn Mann oder Frau ein Problem hat, wird das Ganze gerne verschwiegen oder verheimlicht. Nur wer sich in dieser Gesellschaft durchbeißen kann und will, hat eine Chance zu überleben. Ich habe keinen Bock mehr auf diesen Dreck. Warum kann das Leben nicht so schön sein. Ich bin heutzutage soweit, wenn ich auch obdachlos bin, dass ich mit einem Lächeln aufstehe und jeden Sonnenstrahl genießen kann. Wenn ich im Frühjahr wieder unterwegs bin, dann kann ich auch die Sterne beobachten und genießen. Aber wo will Mann oder Frau das Ganze genießen, wenn jeder nur ans Saufen und Kiffen oder härtere Drogen denkt und diese Stoffe überall greifbar sind?
Vielleicht bis bald – Ralf aus Gifhorn mit Berliner Wurzeln

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Hedi

Wie sah meine Situation aus?
Kurz bevor ich aufhörte zu trinken, sah meine Situation so aus. Morgens zur Arbeit gehen, den Feierabend herbeisehnen, um trinken zu können. Ich habe bis auf die Wochenenden fast jeden Abend in der Kneipe zugebracht. Manchmal bis 2 Uhr nachts, manchmal habe ich den Absprung früher geschafft. An den Wochenenden habe ich mich mit ausreichend Alkohol versorgt, um keinen Engpass zu haben. Ich habe meinen Urlaub tageweise verplempert, um mich richtig abzuschießen. Das zog sich so ungefähr über die letzten zwei Jahre meiner Trinkerkarriere hin.

Das brachte mich dazu, aufzuhören
Es war der 19.08.2008, ein Dienstag. Wieder einmal hatte ich zwei Tage Urlaub genommen, um zu trinken. Nach einer durchzechten Nacht stand ich im Badezimmer und habe mein zerknautschtes und aufgedunsenes Gesicht angesehen. In diesem Moment stieg ein Bild vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah mich auf einer Leiter stehend in einem Loch. Ein Fuß bereit, auf die nächste untere Sprosse zu treten. Ich war dabei, einen Schritt tiefer in den Sumpf hinabzusteigen. Das war der Moment, in dem es bei mir Klick gemacht hat. Ich habe begriffen, dass ich dringend Hilfe brauche oder ich würde den Bach runtergehen. Ich habe wie verrückt geheult. Die Entscheidung, mir Hilfe zu holen war die schwerste in meinem bisherigen Leben.

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Was habe ich unternommen?
Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, bin ich stehenden Fußes zu meinem Hausarzt gelaufen. Ich habe es tatsächlich geschafft, die Wartezeit abzusitzen. Ich habe genau gewusst, wenn ich jetzt gehe, komme ich nicht wieder. Der Arzt war sehr gut. Als ich ihm mein Problem erzählt hatte, dauerte es noch ein Telefonat lang und am Mittwoch,  20.08.2008 wurde ich auf der Entgiftungsstation eines Krankenhauses aufgenommen. Dieser Aufenthalt sollte drei Wochen dauern. Nun begann aber auch die Arbeit an mir selbst. Zunächst musste ich meinen Arbeitgeber über meine Situation unterrichten. Eine erste Herausforderung, das Schamgefühl musste ohne den entlastenden Alkohol ausgehalten werden. Auf der Motivationsstation wurde ich gefragt, was ich bereit wäre für eine zufriedene Abstinenz zu investieren. Eine interessante Frage, nicht wahr? Ich habe geantwortet, alles, was mir möglich ist.

Und so ging es weiter
Ich habe Kontakt zur Psychosozialen Beratungsstelle aufgenommen und wurde zu einem Gespräch eingeladen. Mit Hilfe meiner Suchtberaterin habe ich mich für eine stationäre Entwöhnungstherapie entschieden. Während ich auf die Antwort zur Kostenübernahme wartete, bin ich an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Um die Klippen, die mich in »freier Wildbahn« erwarteten zu bewältigen, habe ich ein paar Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Ich besuchte eine SHG, führte regelmäßige Gespräche mit meiner Suchtberaterin und erstellte eine Art Notfallpass. In diesen trug ich einige Telefonnummern ein, um mir bei aufkommendem Suchtdruck Hilfe holen zu können. Diesen trage ich auch heute noch immer bei mir. Um meine Stammkneipe machte ich einen Bogen. Es fühlte sich real so an, als würde sie nach mir greifen. Also nahm ich einen anderen Weg.
Am 17.11.2008 bin ich zur stationären Therapie aufgebrochen. Für drei Monate. Eine sehr lange Zeit. Ich hatte Angst und wusste nicht, was mich erwarten würde. Es war harte Arbeit. Ich habe oft auf meinem Zimmer gesessen und geheult. Zum einen weil ich wütend und traurig war und zum anderen habe ich mich geschämt. Außerdem habe ich geglaubt, ich würde das alles nicht schaffen. Oft, wenn ich glaubte einen gangbaren Weg für mich gefunden zu haben, hat die nächste Sitzung alles wieder über den Haufen geschmissen. In diesen Situationen hat mir immer wieder die Frage geholfen: Was bist du bereit für eine zufriedene Abstinenz zu investieren? Dann habe ich die Tränen abgewischt, die Nase geputzt und noch mal von vorne begonnen. Ein weiteres Hilfsmittel war es, meine Sucht zu personifizieren. Ich habe sie aus der Rolle des Bösewichtes, den ich bekämpfen muss, herausgenommen und sie zu meiner Begleiterin gemacht. Ich habe mit ihr einen lebenslangen Vertrag geschlossen. Mir hat es Erleichterung verschafft, nicht mehr kämpfen zu müssen, zumal ich nun Kraft übrig hatte, die ich für andere Baustellen nutzen konnte.
Am 13.02.2009 wurde ich aus der Therapie entlassen. Mein Fazit zu dieser Therapie: Es war die richtige Entscheidung und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es schloss sich eine Nachsorge-Therapie an, die am 17.11.2009 endete.

Wie geht es mir heute?
Heute geht es mir gut. Ich habe es geschafft, den einen oder anderen Suchtdruck auszuhalten. Ich habe in einer neuen Welt ohne Alkoholnebel laufen gelernt. Jetzt sehe ich mich an dem Punkt, an dem ich lerne, dass die Person die mir aus dem Spiegel entgegen sieht, ich selber bin und niemand anderes. Ich denke ihr wisst, was ich damit meine. Es ist ein stetes Arbeiten an mir selbst und es macht mir sehr viel Freude, zu sehen, was ich bereits erreicht habe. Natürlich habe ich Rückschläge erlitten und ich bin auch um Haaresbreite an einem Rückfall vorbeigeschrammt. Aber trotzdem machen die Vorteile der Abstinenz sehr viel mehr her als jeder Rausch.

Ich kann nur jedem wünschen, den Weg aus dem Suchtknast zu finden. Es ist nicht leicht, aber es ist zu schaffen und die Welt, die euch dann erwartet, ist es auf jeden Fall wert, entdeckt zu werden. Vielleicht hat meine Geschichte etwas dazu beitragen können.
Alles, alles Gute.

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U.G. aus Hof (Bayern)

Ich bin mit Alkohol aufgewachsen. Mein Bruder hatte das Zeug jeden Tag vor sich stehen und er ist auch an seiner Alkoholkrankheit gestorben, doch das hat mich nicht abgeschreckt. Ich wurde auch zur Alkoholikerin. Meinen ersten großen Rausch hatte ich als ich 13 war und ab da merkte ich, dass der Alkohol mein Trostspender ist.
Wie war die Situation kurz vor dem Aufhören?
....mhh, also, ich versuch´s mal zu erklären. Eigentlich hatte ich fast alles, was ich mir immer gewünscht habe. Eine glückliche Beziehung, daraus eine Tochter (jetzt 9 Jahre), eine Arbeit, doch Freunde, mit denen man was unternehmen kann und Spaß hat, nicht! 2004 arbeitete ich außerhalb und musste immer noch etwas auf meinen Zug warten. Dort am Bahnhof war eine Kneipe, in der ich dann auch ein Weizenbier trank. Getrunken habe ich eigentlich schon länger täglich, doch es hat sich alles noch in Grenzen gehalten. Nach und nach lernte ich die Menschen dort kennen und ich fühlte mich wohl, habe viel gelacht und weil es zuhause immer mehr Streit gab, blieb ich immer öfter und immer länger in dieser Kneipe. Auch mit dem Alkohol ist es immer mehr geworden. Im April 2005 bin ich ausgezogen und hab meine Tochter bei ihrem Vater gelassen, wollte mein Leben auf die Reihe bringen und meine Tochter vor mir schützen. Mein Alkoholkonsum steigerte sich noch mehr.

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Was hat mich dazu bewegt aufzuhören?
In den nachfolgenden Wochen kamen die ersten Entzugerscheinungen. Zittern an den Händen und Schweißausbrüche zur Nacht, genervt war ich von allem und mit meiner Tochter (damals 4Jahre alt) habe ich viel zu viel rumgeschrien. Der Alkohol hat meine Nerven kaputt gemacht! Hab sogut wie nichts mehr gegessen und nahm in zwei Monaten 10 Kilo ab. Im April habe ich meine Arbeit gekündigt, wollte mehr Zeit für meine Familie haben, doch genau das Gegenteil ist passiert. Ich war mehr in meiner Stammkneipe als zuhause. Mir war der Alkohol wichtiger als meine Tochter. Dann kam noch ein Krampfanfall, ein Black Out und ein Krankenhausaufenthalt mit 2,8 Promille dazu.
Was habe Ich unternommen?
Im Mai 2005 hab ich mir gesagt, so kann das nicht mehr weitergehen und so will ich auch nicht mehr weitermachen. Früh um 8 Uhr musste ich erstmal ein Bier trinken, damit ich überhaupt den Telefonhörer halten konnte, um in der Klinik für einen Entgiftungstermin anzurufen. Dort war ich zwei Wochen und dachte, das reicht. Zwei Tage danach gings schon wieder weiter mit dem scheiß Alkohol. Zwei Wochen später bin ich nochmal in die Klinik und dort habe ich die Suchtfibel gelesen – durch dieses Buch war ich mir hundertprozent sicher, dass ich alkoholkrank bin.
Ich beantragte über die Entgiftungsklinik eine Langzeittherapie. Ich war dann für drei Monate in der Tagesreha Bayreuth – früh hin und abends wieder nach Hause. Ich war jeden Abend in meiner gewohnten Umgebung und konnte mich jeden Tag testen, ob ich dem Alkohol wiederstehen kann. Für mich war das genau das Richtige. Meine Therapeuten dort waren super. Natürlich war es am Anfang schwer, über sein Leben zu reden und es waren auch viele Momente dabei, in denen ich sehr viel geweint habe, doch genau das sollte auch sein, um endlich mal den ganzen Mist, der sich im Leben angesammelt hat, rauszulassen! Eine Therapie nützt nichts, wenn man nicht bereit ist, über seine Gefühle und Gedanken zu reden und es ist auch wichtig, dass man vom Alkohol weg will! Wenn ich mir einrede, ich darf nicht mehr trinken, funktioniert es nicht! Ich sage mir immer wieder »ich will nicht mehr trinken« und das funktioniert seit über drei Jahren.
Wie ging es weiter?
Nach der Therapie machte ich noch ambulant weiter (Gruppengespräche und Einzelgespräche in der Suchtberatung) und baute mir eine neue Wohnung auf. In dieser Wohnung findet man keinen Alkohol, das ist ganz wichtig! Weil immer mal wieder eine Phase kommt, in der man mit seinem trockenen Leben nicht zufrieden ist. Würde ich in diesem Moment den Alkohol in der Nähe haben, dann wird es doch zu gefährlich, wieder den Mist in sich hineinzuschütten. Zu meinen damaligen Sauffreunden habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr. Nicht aber weil ich mich vom Alkohol fern halte, sondern weil es keine Freunde sind.
Wie geht es mir heute?
Heute bin ich über drei Jahre trocken und einigermaßen zufrieden. Mit meiner Tochter, die immernoch bei ihrem Vater lebt, verstehe ich mich besser als in meiner nassen Zeit. Sie ist auch regelmäßig bei mir. Natürlich kommt immer mal wieder der Moment, wo ich am liebsten etwas trinken möchte, doch ich weiß, dass meine Probleme dadurch nicht weg sind, sie werden nur betäubt! Die gleichen Probleme sind am nächsten Tag immer noch da und wenn ich jetzt wieder anfange zu trinken, kann ich nicht mehr aufhören. Das funktioniert nämlich nicht, wenn man alkoholkrank ist, nur ein oder zwei Gläser zu trinken – das Suchtgedächtnis macht sich bemerkbar. Ich könnte nicht mehr aufhören, das weiß ich. Wenn ich dann so einen Moment (Suchtdruck) ohne zu trinken überstehe, bin ich sehr stolz auf mich, das ist ein Erfolgserlebnis.
Es passiert zwar selten, aber ab und zu gehe ich mal in meine damalige Stammkneipe, um die Leute zu sehen, die immer noch am Alkohol hängen und ich kann euch sagen, zu diesen Menschen gehöre ich nicht mehr, die sind mir alle zu doof! Und genauso doof war ich früher auch als ich noch getrunken habe. Jetzt sehe ich die Welt die anders. Doch es passiert nicht von heute auf morgen, Stück für Stück merkt man die Veränderungen im trockenen Leben. Etwas Geduld braucht ihr schon.
So Ihr Lieben, jetzt geb ich euch noch drei Wünsche mit auf dem Weg:
Die Gelassenheit, ... alles das hinzunehmen, was nicht zu ändern ist,
Die Kraft, ... zu ändern, was nicht länger zu ertragen ist,
und die Weisheit, ... das eine vom anderen zu unterscheiden
Machts gut ihr Lieben Ihr schafft das, mit Mut, Kraft und Zuversicht

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Dominic

Ich bin 27 Jahre alt, bin Alkoholiker und zur Zeit auf meiner zweiten Therapie innerhalb eines Jahres! Meine Alkoholkarriere fing schon früh an. Mit 15 Jahren hatte ich bereits den ersten Kontakt. Es dauerte nicht lange und der erste Vollrausch folgte gleich im Anschluss. Das war soweit ja noch in Ordnung, denn irgendwann hat fast jeder Jugendliche die ersten Kontakte mit Alkohol. Ich hatte zu dieser Zeit meine erste feste Freundin, einen sehr großen Freundeskreis und ich war sehr glücklich. Alles lief perfekt. Doch nach eineinhalb Jahren ging diese Beziehung kaputt, da ich mittlerweile auch angefangen hatte zu kiffen. Ich habe es zusammem mit meiner damaligen Freundin ausprobiert und daraufhin hat sie dann die Beziehung beendet, da sie der Meinung war, dass ich regelmäßig kiffe. Das war aber nicht so, da ich immer mit ihr zuammen geraucht habe. Hinterher habe ich dann erfahren, dass das nicht der Hauptgrund war. Sie hatte mich in der Zeit davor betrogen. Sie konnte es mir aber nicht sagen, daher hat sie sich einen anderen Grund einfallen lassen. Für mich ist daraufhin meine komplette heile Welt zusammengebrochen. Ich habe mich nicht mehr als Mensch gefühlt. Ich habe mich soweit selbst runtergezogen, dass ich mich meinem älteren Bruder angeschlossen habe und angefangen habe, mit 17 Jahren täglich zu kiffen und Alkohol zu trinken. Mittlerweile denke ich, dass sich in dieser Zeit der Zwerg (Suchtgedächnis) in meinem Kopf (O-Ton meines Therapeuten) prächtig entwickelt hat, und ich immer, wenn es mir schlecht ging, entweder gekifft oder getrunken habe. Oder auch beides gleichzeitig gemacht habe. Irgendwie war es normal, sich jeden Tag so die Lampen auszuschiessen.

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Ich habe zu dieser Zeit nie einen Gedanken daran verschwendet, dass ich krank bin. Mich kann es doch nicht treffen, ich bin doch noch so jung. Das war ein sehr großer Fehler. Irgendwann haben meine Eltern es auch mitbekommen und ich hatte einen Riesenärger. Ich habe mich gefragt, was wollen denn alle von mir. Ich bin doch nicht krank. Nein, ich kann immer aufhören, wenn ich will. Kaum war ich dann aber aus der Tür raus, habe ich alles, was ich meinen Eltern gesagt hatte, wieder abgeschaltet und bin daraufhin von zu Hause abgehauen und mit meinem Bruder zusammengezogen. Das war das reinste Abschießen aller geistlichen und körperlichen Kräfte. Denn durch meinen Bruder habe ich dann auch noch Kontakt zu Kokain bekommen. Jeden Tag von morgens bis spätabends haben wir gekifft, gesoffen, Exstasy »gefressen«, Speed gezogen und wenn das Geld da war, auch gekokst. Wir hatten jeden Tag volle Bude. Es waren aber nur Konsumenten und keine Freunde. Denn mittlerweile denke ich, wenn dort ein Vernünftiger dazwischen gewesen wäre, dann hätte der mich auf mein Konsum hingewiesen und mir geholfen davon wegzukommen. Es war aber nicht so.

Es ging immer heiter weiter mit dem Abtöten der Gehirnzellen, bis ich mich mit meinem Bruder in die Wolle bekommen habe. Ich musste zu meinen Eltern zurück. Die haben mich dann aber ohne ein Murren und Knurren wieder aufgenommen. Die einzige Vorraussetzung war, dass ich mit meinem Drogen- und Alkoholkonsum endlich aufhöre. Wie alle Leute, die nicht wissen wohin, habe ich natürlich zugestimmt, dass ich meinen Konsum einstelle und meine Lehre mache. Das war mit 22 Jahren. Aber da ich meine alten »Feunde« nicht ablegen konnte, habe ich mich dann schließlich doch wieder dazu entschlossen, weiter zu konsumieren. Und zwar alles, was auf dem Markt war. Bis auf Heroin und Crack. Davor hatte ich doch zu großen Respekt, obwohl diesen Respekt hätte ich doch auch schon vor Koks, Exstasy und alle anderen Suchtmittel entwickeln sollen. Denn diese sind genauso gesundheitsschädigend. Aber ich sah das zu diesem Zeitpunkt anders. Alles andere ist schlimm, nur nicht das, was ich mache.

Und so ging es dann bis ich 26-Jahre alt war. Meine Lehre (mittlerweile die zweite!!!!) habe ich dann aufgrund meiner Krankheit natürlich nicht geschafft. Ich bin lieber konsumieren gegangen als meine Versicherungskaufmann-Ausbildung mit Bravour zu bestehen. Ich war also wieder arbeitslos und stand ohne Berufsabschluss da. Was soll ich nun machen? Anstatt mich darum zu bemühen, den Abschluss endlich zu packen, habe ich weiter konsumiert, was da war und bin dann zu einer Zeitarbeitsfirma. Hilfsabreiten machen. Das ist doch toll! Endlich arbeiten und genug Geld kommt auch noch rein. Das kann ich dann alles für Drogen und Alkohol verballern. Das habe ich dann auch gemacht. Ich musste ziemlich früh raus, also habe ich schon morgens angefangen zu trinken. Das ging glücklicherweise auch alles gut. Niemand hat etwas gemerkt. Naja, nach geraumer Zeit habe ich dann ein Angbot bekommen, in der Firma in der ich gearbeitet hatte, einen anderen Job zu übernehmen. Keine Zeitarbeit also. Darauf bin ich dann auch eingegangen, da man mir versprochen hatte, dass ich auch mehr Geld bekommen werde.

Als ich dann sort angefangen habe, habe ich nach vier Wochen in der Nachtschicht auf einem Freitag mit meinem Kollegen meinen Einstand gefeiert. Ich hatte Korn, Cola und Bier mitgebracht. Das ist gut angekommen bei den Kollegen, da diese sowieso jeden Freitag gebechert haben. Das Ende der Geschichte ist, dass ich voll wie »1000 Russen« morgens um 6 Uhr nach Hause gekommen bin. Die letzte Flasche Cola-Korn habe ich mitgenommen. Zu Hause habe ich noch einen großen Schluck aus der Pulle genommen und mich dann schlafen gelegt, um meinen Vollrausch auszuschlafen. Gegen 9 Uhr kam dann meine Mutter rein und hat natürlich den Gestank von Alkohol wahrgenommen. Sie hat mich darauf angesprochen und ich habe geschworen, dass ich nichts getrunken habe. Ich hatte aber mindestens noch 2 Promille intus. Naja, wir sind dann zusammen einkaufen gefahren und sie hat mir für den nächsten Abend bei meinem Bruder – ich wollte abends zu ihm – eine Flasche Whisky (es war Jim Beam für 10 Euro) spendiert. Ich war glücklich, denn mein Stoff war gesichert. Abends bei meinem Bruder ging dann das Gehirnzellenabtöten munter weiter. Wir soffen und kifften, was das Zeug hielt. Zu später Stunde dann wollte ich unbedingt nach Hause fahren. Eigentlich wollte ich ja bei meinem Bruder schlafen. Ich bin dann also mit der letzten Bahn nach Hause gefahren, um mich in mein heiliges Bett zu legen. Dort angekommen wurde ich dann morgens von meiner Freundin (zu diesem Zeitpunkt hatte ich wieder eine) geweckt. Ich hatte das nicht mitbekommen, da ich ziemlich voll war. Sie ist dann mit der Flasche Cola-Korn vom Vorabend zu meinen Eltern gegangen und hat mich gerettet. Meine Eltern stellten mich dann vor die Wahl. Entweder ich versacke im Alkohol und den Drogen oder ich gehe ins Krankenhaus und mache eine Therapie.

Ich habe mich dann für das Krankenhaus entschieden. Es konnte so einfach nicht mehr weitergehen. Ich war ja nur noch dicht. Das war mir aber nicht so bewusst. Ich habe mich immer fit gefühlt und wenn das mal nicht so war, habe ich nachgeholfen, dass es wieder so wird. Auf jeden Fall bin ich dann erstmal zum Arzt und habe mir eine Einweisung in die Entgiftung besorgt. Ich musste dort anrufen, um mir einen Termin zu holen. Innerlich hatte ich gehofft, dass es schnell geht mit der Einweisung, doch ich musste dann noch vier lange Tage warten. Also habe ich mich in den vier Tagen selbst der Entgiftung unterzogen. Es war aber immer einer da, der auf mich aufgepasst hat. Morgens und mittags mein Bruder und abends meine Freundin. Das war Balsam für die Seele, denn ich wusste das jemand da ist, wenn ich nicht mehr kann. Also ist der Entzug auch nicht so schlimm gewesen. Nur die innere Unruhe konnte mir keiner nehmen.

Es war eine neue Situation für mich. Was erwartet mich dort? Da sind doch nur Penner und Asoziale. Doch dieses Bild habe ich schnell verloren. Denn es waren dort alle Schichten unserer Gesellschaft vertreten. Vom Manager bis zur Putzfrau. Vom Arzt bis zum Arbeitslosen. Also, habe ich meine erste Entgiftung für 20 Tage hinter mich gebracht. Gleichzeitig habe ich meine erste Therapie im Hansenbarg beantragt. 16 Wochen wurden sofort genehmigt. Ich dachte nur, oh Gott, solange weg von zu Hause. Naja, wenn“s hilft. Meine Freundin hatte auch weiterhin zu mir gestanden und mir gut zugeredet. Als ich dann nach der Entgiftung nach Hause kam, war der gute Wille zum Nichtkonsumieren jedoch schnell dahin. Da ich noch lange Zeit hatte, bis es losging mit der Therapie, hatte ich mich kurzerhand entschlossen, nochmal einen alten Kollegen zu besuchen. Wir haben uns ein letztes Mal die Lampen ausgeschossen. Solange, bis irgendwann die Polizei vor der Tür stand. Danach kann ich mich an fast nichts mehr erinnern. Nur daran, dass ich zu Hause aufgewacht bin. Wie ich dort hinkam? Keine Ahnung ... naja der Tag, an dem es endlich losging, kam, und ich war froh, dass mir geholfen wird. Dachte ich. Denn es kam anders. Nach acht Wochen habe ich mich dann selber entlassen, da ich ja nicht krank war. Also habe ich meinen Eltern und meiner Freundin vorgelogen, ich sei wegen »guter Führung« früher entlassen worden. Sie haben mir geglaubt.

Also war ich wieder zu Hause. Ich hatte auch das Glück, dass ich sofort eine Firma gefunden hatte, In der ich meine Lehre zu Ende machen konnte. Ich bin also jeden Tag fröhlich zur Arbeit gefahren. Immer mit der Bahn. Und irgendwann, das war im Sommer, habe ich angefangen morgens vor der Arbeit kontrolliert zu trinken. Ha, da habe ich mich wohl selbst belogen, denn es ging alles nach hinten los. Im Herbst bin ich dann wieder in die Entgiftung. Diesmal aber nur 10 Tage, da ich den Blockunterricht in der Berufsschule nicht verpassen wollte. Gebracht hat diese Entgiftung auch nichts, denn kaum war ich wieder alleine, habe ich wieder morgens vor der Schule gesoffen. Das ging dann bis Januar 2008 so. Ich habe dann meine Ausbildungsstelle kurz vor der Prüfung mal wieder verloren.

Was mach ich nun? Wieder zwei Möglichkeiten. Entgiftung oder Freundin weg! Also habe ich mich wieder für die Entgiftung entschieden. Diesmal ging es aber weiter weg, Nach Ruhleben in Plön. Geschlagene 18 Tage keinen Kontakt zur Außenwelt. Kein Kiosk für Zeitung, kein Verlassen des Grundstückes zum Spazierengehen. Man durfte aber auch gar nichts machen. Außer nachdenken über sein leben und was ich so alles fabriziert habe. Das war absolutes Neuland für mich, denn in meiner ersten Entgiftung hatte man genügend Ablenkung mit Sport, Ergo und Arbeitstherapie. Naja, ich hatte mich dann entschlossen, gleich im Anschluss noch eine Therapie zu machen. Diesmal ging es nach Freudenholm. Das liegt bei Kiel. Da es aber meine zweite Therapie war, durfte ich mich diesmal zehn Wochen in Behandlung geben. Gott sei es gedankt, dass ich das nochmal machen durfte. Ich habe mich also für mich ein letztes Mal auf die Reise begeben, mein Leben aufzuarbeiten. Und es hat viel gebracht. Gut, ich habe nach der Entlassung kleine Rückfälle gebaut, aber seit dem ich jetzt zu den AA gehe, habe ich es endlich begriffen. Ich kann mit meinen 27 Jahren keinen Alkohol mehr trinken. Mein Fass ist leer. Ich nehme mir jeden Tag vor, die nächsten 24 Stunden nicht zu trinken und es klappt.

Natürlich gehört da auch ein geregelter Tagesablauf dazu, denn keine Tätigkeiten am Tag haben mich wieder dazu veranlasst, zu grübeln und wieder zu trinken. Langeweile ist tödlich für einen Alkoholiker wie mich. Ich danke Gott jeden Tag, dass ich zwei Chancen bekommen habe, es endlich in den Griff zu bekommen. Es ist keine Schande krank zu sein. Nein, es ist eine Schande, nichts dagegen zu tun!!
Euer Dominic

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