Wege aus der Sucht
Thomas aus Berlin
Selbsthilfegruppe – wozu brauche ich die eigentlich?
Vorweg: Ich bin Alkoholiker und habe nur Erfahrungen mit dem Suchtstoff Alkohol. Daher beziehe ich mich auch nur darauf. Gespräche in einer psycho-therapeutischen Klinik mit anderen Süchtigen haben mir gezeigt, dass die Ursachen meinen sehr ähnlich waren: Keine Ahnung, wie man mit (wachsenden) Problemen/Stress umgehen soll – also sucht man Erleichterung in/mit einem bestimmten Medium. Oder anders herum: man »belohnt« sich für die erfolgreiche Bewältigung dieser Probleme. Und irgendwann schleicht sich dann der Kontrollverlust ein.
Erhard aus Oschersleben
»Stark wie ein Baum«
Es fing eigentlich ganz,harmlos an mit dem Alkohol.
In der Jugendzeit war es toll, mal ab und zu etwas zu trinken, Hemmungen abzubauen, mit anderen zu feiern und cool zu sein.
Alkohol war auch immer da, wenn es später im Beruf turbulent zuging, wenn ich mal abspannen oder ausruhen, Frust, Langeweile oder Ärger und Wut bekämpfen wollte. Aber auch wenn es mir gut ging; quasi als Belohnung für den Erfolg.
Heinz
Hallo, mein Name ist Heinz und ich bin ein stolzer, zufriedener und momentan trockener Alkoholiker. Und das sage ich mit vollster Überzeugung!
Manchmal, wenn ich das erzähle, schauen mich meine Gesprächspartner kopfschüttelnd an. »Wie kann man denn ein stolzer Alkoholiker sein?« Alles, was ich hier schreibe, gilt natürlich nur für mich.
Ich wusste schon lange, dass mit meinem Trinkverhalten etwas nicht in Ordnung war. Bis ich das zugeben konnte, dauerte es lange, sehr, sehr lange. Ich wurde, heute sage ich, es war ein glücklicher Umstand, von meiner Familie und auch meinem Arbeitgeber in die Enge getrieben. Es hat mich nachdenklich gemacht.
Rene
Ich habe mich dazu entschlossen meine Geschichte zu erzählen, weil ich gerade jungen Betroffenen helfen kann.
Mit 16 Jahren war ich abhängig und dementsprechend ging es mir und meinem Körper sehr schlecht.
Kurz vor meinem Entzug hatte ich eigentlich nicht geplant, dass ich aufhören möchte, es war aber trotzdem ein starker Wunsch in meinem Unterbewusstsein. Ich habe mich intensiv mit dem Thema Alkoholismus beschäftigt und konnte mir so recht schnell eingestehen, dass ich süchtig bin. Das war ein wichtiger Punkt, weil so auch der Wunsch noch stärker wurde.
Eines Abends, als ich betrunken nach Hause kam, mitten in der Woche, sagte meine Mutter zu mir: »Du bist Alkoholiker. So oft kann man nicht nach Alkohol stinken.«
Unter fließenden Tränen gab ich alles zu.
HansPeter
Welche Bedeutung die eigenen vier Wände für ein menschenwürdiges Dasein haben
Nach meiner vorzeitigen Berentung habe ich vom Sozialamt mit der Bewilligung der Grundsicherung zugleich die Aufforderung zu einer schriftlichen Anhörung zur Senkung der Mietkosten erhalten. Hintergrund war, dass die Kosten der Miete einem bestimmten Richtwert entsprechen müssen, den meine Wohnung um 119,- übersteigt. Das Amt übernimmt die Miete in voller Höhe maximal sechs Monate, danach gibt es als letzte Möglichkeit nur noch einen Umzug in eine andere Sozialwohnung. Die Aussicht auf einen zwangsweisen Umzug hat vor meinem biographischen und gesundheitlichen Hintergrund starke Ängste ausgelöst und führte zu einer beginnenden Retraumatisierung.
Ich habe mir in meiner Stellungnahme an das Sozialamt das Recht herausgenommen, nicht einseitig als Sozialhilfeempfänger wahrgenommen zu werden, sondern mit meiner Gesamtpersönlichkeit, meiner Arbeitsbiographie, wie auch als Alkoholiker, Kranker oder Heimkind verbunden mit allen Stigmatisierungen, die in der Gesellschaft wie in den Behörden vorhanden sind. Für mich ist der Prozess der medizinischen Rehabilitation auch ein Weg der Wiederherstellung und des Erhalts meiner Menschenwürde.
Die Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung hat zur Folge, dass die sozialen Dienste für das Individuum immer weniger Zeit haben und vieles nur noch nach Aktenlage entschieden wird. Empathische Gespräche im Rahmen von Anhörungsverfahren bleiben also auf der Strecke, bilden aber die Basis sowohl für nachhaltige Gesundheit als auch für einen achtsamen Blick auf sich selbst. Daher habe ich meiner Akte durch eine ausführliche Stellungnahme das beigefügt, was ich für eine qualifizierte die Würde wahrende Entscheidung von MitarbeiterInnen einer Behörde für notwendig erachte.
Weiterlesen ... Beitrag schließenRalf aus Gifhorn
Ich bin seit drei Jahren clean und bin heutzutage in der Lage. mein Leben ohne Alkohol zu meistern – ich habe auch keine Gruppe mehr.
Die Situation vor drei Jahren war so, dass ich Psychiatrieerfahrung, Canabiserfahrung sowie jahrelange Alkoholexzesse hinter mir hatte und mal wieder eine Auszeit von Berlin nehmen wollte. Ich fragte spontan im Schwarzwald an, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Auszeit von Berlin zu nehmen, denn ich war, wie so oft schon, ausgebrannt. Als ich im Schwarzwald angekommen war, habe ich beim Bauern zur Untermiete gewohnt, für Kost und Logie habe ich im Gasthof als »Mädchen für alles« gearbeitet. Was mir nicht gefallen hatte, war, dass es zum Feierabend immer ein Bier zum Abschied gab, denn ich hatte schon in Berlin überlegt, weniger zu trinken. Was aber durch den Bauern und durch den Gastwirt nicht funktionierte.
Als ich angefangen hatte, die Freiheit von Berlin zu genießen, war ich bei fast einen Kasten Bier pro Abend. Genau da hatte ich festgestellt, dass ich ein Problem habe.
Hedi
Wie sah meine Situation aus?
Kurz bevor ich aufhörte zu trinken, sah meine Situation so aus. Morgens zur Arbeit gehen, den Feierabend herbeisehnen, um trinken zu können. Ich habe bis auf die Wochenenden fast jeden Abend in der Kneipe zugebracht. Manchmal bis 2 Uhr nachts, manchmal habe ich den Absprung früher geschafft. An den Wochenenden habe ich mich mit ausreichend Alkohol versorgt, um keinen Engpass zu haben. Ich habe meinen Urlaub tageweise verplempert, um mich richtig abzuschießen. Das zog sich so ungefähr über die letzten zwei Jahre meiner Trinkerkarriere hin.
Das brachte mich dazu, aufzuhören
Es war der 19.08.2008, ein Dienstag. Wieder einmal hatte ich zwei Tage Urlaub genommen, um zu trinken. Nach einer durchzechten Nacht stand ich im Badezimmer und habe mein zerknautschtes und aufgedunsenes Gesicht angesehen. In diesem Moment stieg ein Bild vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah mich auf einer Leiter stehend in einem Loch. Ein Fuß bereit, auf die nächste untere Sprosse zu treten. Ich war dabei, einen Schritt tiefer in den Sumpf hinabzusteigen. Das war der Moment, in dem es bei mir Klick gemacht hat. Ich habe begriffen, dass ich dringend Hilfe brauche oder ich würde den Bach runtergehen. Ich habe wie verrückt geheult. Die Entscheidung, mir Hilfe zu holen war die schwerste in meinem bisherigen Leben.
U.G. aus Hof (Bayern)
Ich bin mit Alkohol aufgewachsen. Mein Bruder hatte das Zeug jeden Tag vor sich stehen und er ist auch an seiner Alkoholkrankheit gestorben, doch das hat mich nicht abgeschreckt. Ich wurde auch zur Alkoholikerin. Meinen ersten großen Rausch hatte ich als ich 13 war und ab da merkte ich, dass der Alkohol mein Trostspender ist.
Wie war die Situation kurz vor dem Aufhören?
....mhh, also, ich versuch´s mal zu erklären. Eigentlich hatte ich fast alles, was ich mir immer gewünscht habe. Eine glückliche Beziehung, daraus eine Tochter (jetzt 9 Jahre), eine Arbeit, doch Freunde, mit denen man was unternehmen kann und Spaß hat, nicht! 2004 arbeitete ich außerhalb und musste immer noch etwas auf meinen Zug warten. Dort am Bahnhof war eine Kneipe, in der ich dann auch ein Weizenbier trank. Getrunken habe ich eigentlich schon länger täglich, doch es hat sich alles noch in Grenzen gehalten. Nach und nach lernte ich die Menschen dort kennen und ich fühlte mich wohl, habe viel gelacht und weil es zuhause immer mehr Streit gab, blieb ich immer öfter und immer länger in dieser Kneipe. Auch mit dem Alkohol ist es immer mehr geworden. Im April 2005 bin ich ausgezogen und hab meine Tochter bei ihrem Vater gelassen, wollte mein Leben auf die Reihe bringen und meine Tochter vor mir schützen. Mein Alkoholkonsum steigerte sich noch mehr.
Dominic
Ich bin 27 Jahre alt, bin Alkoholiker und zur Zeit auf meiner zweiten Therapie innerhalb eines Jahres! Meine Alkoholkarriere fing schon früh an. Mit 15 Jahren hatte ich bereits den ersten Kontakt. Es dauerte nicht lange und der erste Vollrausch folgte gleich im Anschluss. Das war soweit ja noch in Ordnung, denn irgendwann hat fast jeder Jugendliche die ersten Kontakte mit Alkohol. Ich hatte zu dieser Zeit meine erste feste Freundin, einen sehr großen Freundeskreis und ich war sehr glücklich. Alles lief perfekt. Doch nach eineinhalb Jahren ging diese Beziehung kaputt, da ich mittlerweile auch angefangen hatte zu kiffen. Ich habe es zusammem mit meiner damaligen Freundin ausprobiert und daraufhin hat sie dann die Beziehung beendet, da sie der Meinung war, dass ich regelmäßig kiffe. Das war aber nicht so, da ich immer mit ihr zuammen geraucht habe. Hinterher habe ich dann erfahren, dass das nicht der Hauptgrund war. Sie hatte mich in der Zeit davor betrogen. Sie konnte es mir aber nicht sagen, daher hat sie sich einen anderen Grund einfallen lassen. Für mich ist daraufhin meine komplette heile Welt zusammengebrochen. Ich habe mich nicht mehr als Mensch gefühlt. Ich habe mich soweit selbst runtergezogen, dass ich mich meinem älteren Bruder angeschlossen habe und angefangen habe, mit 17 Jahren täglich zu kiffen und Alkohol zu trinken. Mittlerweile denke ich, dass sich in dieser Zeit der Zwerg (Suchtgedächnis) in meinem Kopf (O-Ton meines Therapeuten) prächtig entwickelt hat, und ich immer, wenn es mir schlecht ging, entweder gekifft oder getrunken habe. Oder auch beides gleichzeitig gemacht habe. Irgendwie war es normal, sich jeden Tag so die Lampen auszuschiessen.
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