Alkoholproblemen

Corona – eine scheinbar »nerverending Story«

Gemeinschaft und Hilfe während der Pandemie

Die Corona-Pandemie betrifft uns alle. Die Gefahr der Ansteckung wird oft auf die leichte Schulter genommen, denn das Virus scheint weit weg zu sein. Man sieht und riecht es nicht. Aber niemand kann davor sicher sein, denn es betrifft nicht nur die Älteren unter uns, sondern jeden Einzelnen – vom Kleinkind bis zum gestandenen Senior. Covid-19 wird uns auch künftig begleiten – ebenso die »Nebenwirkungen«, insbesondere auch für suchtkranke Menschen.

Home-Office, wenig soziale Kontakte, Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung (Sportverein, kulturelle Events, Treffen von Selbsthilfegruppen, …) – es gibt kaum einen Bereich, der sich von der aktuellen Situation ausklammern lässt. Für Suchtkranke können diese Umstände fatale Folgen haben. Durch die Einschränkungen bleiben mitunter stabilisierende Tagesstrukturen auf der Strecke. Menschen, die bereits Wege in die Abstinenz gefunden haben, laufen Gefahr, rückfällig zu werden. Anderen, die diesen Weg noch nicht einschlagen konnten, droht der Absturz ins Bodenlose – mit allen negativen Folgen für Gesundheit und Umfeld. Auch für Angehörige von Suchtkranken ist es schwer, mit der Sucht des Betroffenen zu leben.

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Wer hilft, wenn´s mal eng wird?

Die Technik bietet uns heutzutage sehr viele Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren. Und wenn es einmal richtig »eng werden« sollte, dann gibt es z. B. folgende Hilfsangebote:

=> Telefonseelsorge: 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222

=> Für Jugendliche – Nummer gegen Kummer: 116 111

=> Für Eltern: 0800 / 111 0 550

=> Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016

=> Für Senioren: Silbernetz – Kostenlos. Anonym. Täglich 08:00–22:00 Uhr: 0800 / 4 70 80 90

=> Hotline der Bundesregierung zum Coronavirus 030 / 346 465 100

=> Chat für Suchtkranke und Angehörige: A-Connect Chat

Mitten aus dem Leben ...

Sabine (Name geändert)* hatte im Juni 2019 mit dem Trinken aufgehört. Aufgrund des sorgfältig ausgearbeiteten Stufenplanes ihres Arbeitgebers blieb ihr die Arbeitsstelle erhalten. Durch ihre Hobbys Gymnastik und Chorsingen sowie dem regelmäßigen Besuch einer Selbsthilfegruppe hatte sie sich eine geregelte Tagesstruktur und ein alkoholfreies Umfeld geschaffen. Im Februar 2020 verbreitete sich das Corona-Virus in Europa. Was folgte, waren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (Lockdown, Kontaktbeschränkungen etc.).

Für Sabine waren die Folgen gravierend. Sie arbeitete als Sachbearbeiterin in einer Versicherungsagentur und musste ihre Tätigkeit ins Home-Office verlegen. Das ersparte ihr zwar den Weg zur Arbeit, bedeutete aber auch, dass sich die persönlichen Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen auf ein Minimum reduzierten. Da jetzt ihre Übungsabende beim Chorsingen und auch die Gymnastikrunde ausfielen, saß sie nun abends alleine auf der Couch. Auch die Selbsthilfegruppe konnte sich nicht treffen – die Kontakte zu den Gleichgesinnten beschränkten sich auf Telefonate und die WhatsApp-Gruppe der SHG.

Anfangs war es schön, sich ein bisschen ins Private zurückzuziehen. Es war gemütlich und sorgte für Entspannung. Doch die soziale Isolation machte Sabine zunehmend zu schaffen. Ihr fehlten die Kontakte – sei es im Beruf und auch in der Freizeit. Was anfangs bestens funktionierte, entwickelte sich zunehmend zum Risiko, in alte Gewohnheiten zu fallen. Ihren runden Geburtstag Anfang Februar 2021 wollte sie eigentlich gemeinsam mit ihren Freunden aus der Selbsthilfegruppe feiern. Daraus wurde nichts. Der große Tag rückte näher und die Gedanken, diesen Tag mit einem Glas Sekt zu krönen, leider auch.

Sie freute sich auf diesen Abend, an dem sie sich endlich wieder einmal etwas »Gutes« gönnen konnte. »Zum 50. Geburtstag mal ein Glas Sekt zu trinken, war doch das Normalste der Welt, oder?« Es würde außerdem niemand mitbekommen und sie würde gewiss nicht wieder anfangen, regelmäßig zu trinken. Für den Genuss sollte es etwas Besonderes sein – Champagner schien ihr angemessen. Es war ihr vielleicht ein bisschen unangenehm, dass jemand sie beim Kauf von Alkohol beobachten könnte.

»Da macht nichts« flüsterte das Gedankenteufelchen, »Du hast doch einen guten Grund, Dir etwas zu gönnen«. Wieder zu Hause zelebrierte sie das Öffnen des Champagners, genoss die prickelnde Flüssigkeit und das wohlig sanfte Gefühl, das sie so lange vermisst hatte. Eigentlich wollte sie nur ein Glas trinken und erschrak, als sie merkte, dass sie die ganze Flasche leer getrunken hatte. Für einen Moment kam das unangenehme Gefühl hoch, einen Fehler gemacht zu haben. Aber schon wieder flüsterte das Teufelchen »Hey, es merkt doch niemand – mach noch einen kleinen Spaziergang und hol´ Dir am Kiosk für den Abend Deinen Lieblingslikör«...

Es war das vorläufige Ende ihrer Abstinenz.

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Dir fällt die Decke auf den Kopf?

Wir haben ein paar Tipps für Dich ...

  • Bei vielen von uns sind die alltäglichen Strukturen durcheinander geraten. Auch wenn Du im Home-Office tätig bist, in Kurzarbeit oder aufgrund des Lockdowns derzeit Deinen Job nicht ausüben kannst – stehe morgens wie gewohnt auf, so, wie Du es normalerweise tun würdest, wenn Du zur Arbeit gehst. Gemütlich frühstücken, dann das Tagwerk beginnen – auch wenn es sich vielleicht etwas anders gestaltet als sonst.

  • Der Lockdown schenkt Dir Zeit für Dinge, die Du schon lange mal erledigen wolltest bzw. für die Du sonst kaum Zeit hattest. Aufräumen, Aussortieren, die Wohnung renovieren oder neu dekorieren, Basteln, Puzzlen, Handarbeiten – es gibt viele Dinge, die Spaß machen. Vielleicht hast Du einen Stapel ungelesener Bücher, die Du schon immer mal lesen wolltest. Was auch Freude macht, sind alte Fotoalben und Filme anzuschauen.

  • Versuche diese Zeit als »geschenkte Zeit« zu sehen. Es gibt so vieles, mit dem Du Dich beschäftigen kannst. Vielleicht hast Du auch Lust, etwas Neues zu lernen. Wie wäre es, Fremdsprachenkenntnisse aufzufrischen oder sogar eine neue Sprache zu lernen. Dank der heutigen digitalen Angebote ist das vom Sofa aus zu schaffen. Schließe Dich einem Online-Forum an, dann hast Du sogar die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen.

  • Gönne Deinem Körper Bewegung! Klar, nicht jeder hat einen Garten oder die Natur vor der Haustür, aber gewiss gibt es auch bei Dir grüne Oasen, in denen Du joggen, skaten oder radeln kannst. Bewegung macht glücklich und tut dem Körper gut. Vielleicht ist für Dich auch »Gymnastik für Couch-Potatoes« angesagt (einfach mal im Netz suchen, es gibt prima Anleitungen).

  • Verwöhne Dich mit leckerem gesunden Essen! Mal ganz neue Geschmacksrichtungen ausprobieren – scharfe thailändische Küche, mediterrane Genüsse mit Pasta oder, oder, oder …

  • Den Mitmenschen helfen klappt auch während der Pandemie. Es gibt fast überall Nachbarschafts-Initiativen und viele Kirchengemeinden bieten Möglichkeiten, sich zu engagieren. Schau einfach mal, was es bei Dir in der Nähe möglich ist. Anderen helfen hilft nicht nur den anderen, sondern auch Dir. Auf der Homepage Deiner Heimatstadt oder unter www.meinestadt.de könntest Du fündig werden.

  • Meistens schauen wir auf das, was im Moment nicht geht oder nicht machbar ist. Damit machen wir es uns unnötig schwer. Schau auf das, was Du hast und was möglich ist. Es gibt jeden Tag Dinge, über die wir uns freuen können – und wenn es nur Kleinigkeiten sind.


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    Eine kleine Geschichte über das alltägliche Glück

    Eine alte, weise Frau verließ ihr Haus nie, ohne vorher eine Handvoll Bohnen einzustecken. Sie tat dies nicht, um diese unterwegs zu essen. Nein, sie nahm die Bohnen mit, um so die schönen Momente des Lebens besser zählen zu können.

    Für jede Kleinigkeit, die sie tagsüber erlebte – zum Beispiel ein köstlich duftendes Brot, einen Moment der Stille, das Lachen eines Menschen, eine Berührung des Herzens, einen sonnigen Platz zum Rasten, das Zwitschern eines Vogels – für alles, was die Sinne und das Herz erfreut, ließ sie eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es auch zwei oder drei Bohnen, die auf einmal den Platz wechselten.

    Abends saß die alte Dame daheim am Ofen und zählte die Glücksbohnen aus der linken Jackentasche. Sie zelebrierte diese Minuten. So führte sie sich vor Augen, wie viel Schönes ihr an diesem Tag widerfahren war, und freute sich darüber.

    Sogar an Abenden, an denen sie nur eine einzige Bohne zählte, war der Tag für sie ein glücklicher Tag – es hatte sich gelohnt, ihn zu leben.

    (Verfasser unbekannt)

    Fotos auf dieser Seite: Creative Commons Pixabay

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